Das Bakteriengenom






Anmerkungen zur Lerneinheit 2:
Abgrenzung von Genkategorien

Antworten auf Frage 1 und 2
Antworten auf Frage 3 und 4
Antworten auf Frage 5 und 6
Antworten auf Frage 7 bis 9
Kommentare

Antworten auf Frage 5 und 6:
5. Werden die meisten Gene nur von einem der beiden DNA-Stränge codiert?

    Das heißt: Weisen die Pfeile in ihrer Mehrzahl nach rechts oder nach links? Beide Stränge werden ungefähr im gleichen Umfang genutzt.

    Wenn beide Stränge genutzt werden: Beobachtet man eine Häufung, das heißt, weisen die Gene in einer bestimmten Region des Genoms bevorzugt nach links oder nach rechts? Zwischen den Genen MG001 und MG246 weisen die meisten Gene nach rechts. Von MG247 bis MG470 weisen sie vorwiegend nach links.

Anmerkung: Diese seltsame Verteilung ist typisch für den Aufbau von Bakteriengenomen; ihre Ursache hat sie darin, dass die ringförmigen Bakterienchromosomen von einem einzigen Replikationsursprung aus in beiden Richtungen repliziert werden (bidirektionale Synthese).

Die DNA-Replikation geht sehr schnell vonstatten - die Geschwindigkeit ist bis zu 20mal höher als bei der RNA-Synthese (Transkription). Da beide Vorgänge gleichzeitig ablaufen, müssen sie sich zwangsläufig an manchen Stellen in die Quere kommen. Zwei Arten solcher Begegnungen sind möglich: das Überholen, wobei der schnellere DNA-Replikationskomplex die RNA-Polymerase überholt, die langsam in derselben Richtung transkribiert, und der Frontalzusammenstoß der beiden Vorgänge, die in entgegengesetzten Richtungen laufen. Den Befunden zufolge beeinträchtigt der Frontalzusammenstoß die DNA-Replikation stärker als das Überholen; dieses führt meist nur dazu, dass die RNA und die RNA-Polymerase sich vorzeitig von der DNA lösen, während die DNA-Synthese weiter läuft. Bei einem Frontalzusammenstoß dagegegen kommen wahrscheinlich beide Vorgänge vorübergehend zum Stillstand.

Man kann damit rechnen, dass sich in der Evolution der Bakterien Wege entwickelt haben, durch die solche Frontalzusammenstöße und die damit verbundenen Beeinträchtigungen möglichst vermieden werden; das dürfte der Grund dafür sein, dass die meisten Gene auf den beiden Hälften des Chromosoms in entgegengesetzter Richtung transkribiert werden. In den folgenden Schemazeichnungen ist das Prinzip genauer zu erkennen.

Betrachten wir einmal zwei hypothetische Fälle. (1) Würden alle Gene im Uhrzeigersinn transkribiert, würde die Replikationsgabel, die nach rechts wandert, den Transkriptionskomplex überholen, ohne dass die DNA-Replikation beinträchtigt ist. Die andere Replikationsgabel jedoch, die vom Ursprung aus nach links läuft, würde mit den Molekülen der RNA-Polymerase zusammenstoßen, die sich in entgegengesetzter Richtung bewegen. Solche Frontalzusammenstöße würden wahrscheinlich zu einer Verlangsamung der DNA-Synthese führen, und das ist für die Zelle mit Problemen verbunden.






(2) Stellen wir uns nun die Alternative vor: Wenn die Gene links vom Replikationsursprung grundsätzlich im Gegenuhrzeigersinn und die rechts davon im Uhrzeigersinn transkribiert werden, können die Replikationsgabeln, die sich beiderseits des Replikationsurpsprunges öffnen, die RNA-Polymerase einfach überholen und verdrängen, ohne dass es zu Frontalzusammenstößen kommt.




Auf diese Weise sind die meisten Gene von Mycoplasma genitalium organisiert: Die Transkription erfolgt rechts vom Replikationsursprung im Uhrzeiger- und links im Gegenuhrzeigersinn. Es scheint, als habe die Selektion tatsächlich für eine solche Orientierung der Gene gesorgt, damit möglichst wenige Frontalzusammenstöße zwischen Replikationsgabeln und transkribierenden RNA-Polymerase-Molekülen stattfinden.

Diese Erklärung dürfte für Studenten interessant sein, insbesondere wenn sie bereits über die Einzelheiten von Replikation und Transkription Bescheid wissen. Wenn ihnen die entgegengesetzte Orientierung der Gene in den Hälften des ringförmigen Chromosoms aufgefallen ist, kann man ihnen die Aufgabe stellen, eine Hypothese über die Ursachen dieser Organisation zu entwickeln, und an geeigneter Stellen kann man dann die Vorstellung vom Überholen und den Frontalzusammenstößen einführen.

Weitere Informationen zu diesem interessanten Thema finden sich in "Replication meets Transkription: Who's got the right of way?" by S. French, Amer. Soc. Microbiol. News 59: 437-442 (1993).

    Gibt es Gene, die sich überlappen? Nein. Überlappende Gene (wobei ein DNA-Abschnitt das Ende eines Proteins und den Anfang eines zweiten codiert) kommen nur in seltenen Fällen bei bestimmten Viren vor, so bei dem Bakteriophagen MS2.
6. Welches ist der häufigste Typ von Genen?
    Welche Kategorie umfasst die meisten Gene? Bei weitem am häufigsten sind Gene, deren Produkte an der Translation (Proteinsynthese) mitwirken.

    Was ist nach Ihrer Ansicht der Grund, dass es in dieser Kategorie so viele Gene gibt? Die Translation ist ein sehr komplizierter Vorgang, an dem Hunderte von Komponenten beteiligt sind (tRNAs, ribosomale Proteine und RNAs usw.) Sie ist auch der energieaufwendigste Prozess in der Zelle: In einer wachsenden Bakterienzelle erfordert sie 80 bis 90 Prozent der Gesamtenergie.

Next