Das Bakteriengenom







Für die Lehre

Untersuchung des Bakteriengenoms
von Thomas Terry, University of Connecticut
© 1996, Peregrine Publishers, Inc., alle Rechte vorbehalten

(siehe auch Kapitel 17 und 19 in Campbells "Biologie")


Einführung
Bakterien haben zu unseren Kenntnissen über das Lebendige eine Menge beigetragen, denn sie sind klein und relativ einfach gebaut. Seit man entdeckt hatte, dass Zellen die Grundlage alles Lebens sind und dass jede Zelle eine "genetische Datenbank" (ein Genom) für die Herstellung einer ganz bestimmten Proteinausstattung enthält, die in ihrer Gesamtheit sämtliche Tätigkeiten der Zelle bestimmt, wollten viele Biologen die gesamte DNA-Sequenz und die zugehörigen Proteine eines Lebewesens aufklären. Mit diesen Bestrebungen kam man 1995 einen großen Schritt vorwärts: In diesem Jahr wurde zum erstenmal die vollständige Genomsequenz zweier Lebewesen veröffentlicht, nämlich der Bakterien Haemophilus influenzae und Mycoplasma genitalium. Beide Sequenzen sind in einer Datenbank des Institute for Genomic Research (TIGR) gespeichert und können im Internet abgerufen werden; sie sind die Grundlage für mehrere weitere Forschungsprojekte, in deren Rahmen Sie sich selbst an die vorderste Front der biologischen Forschung begeben können.

electron micrograph of H. influezae

H. influenzae (die Abbildung oben zeigt eine elektronenmikroskopische Aufnahme) ist ein kleines, gramnegatives Bakterium, das normalerweise in den oberen Atemwegen des Menschen lebt. Es kann Infektionskrankheiten von Ohr, Atemwegen und Rückenmarksflüssigkeit (Meningitis) verursachen. Das Bakterium M. genitalium ist noch kleiner und grampositiv; es ist in der Schleimhaut der menschlichen Atem- und Geschlechtsorgane zu Hause und kann Infektionen der Harnröhre hervorrufen. Beide haben ein kleines Genom: Bei H. influenzae besteht es aus 1 900 000 Basenpaaren, bei M. genitalium sogar nur aus
580 000. Basenpaaren (Da es sich bei beiden Arten um Krankheitserreger handelt, bestehen gute Aussichten auf Forschungsmittel, aber ein noch wichtigerer Grund dafür, dass man sie wählte, war die sehr geringe Größe ihres Genoms. M. genitalium gehört nicht nur zu den kleinsten lebenden Zellen überhaupt, sondern es hat auch von allen das kleinste Genom.




Wie viele Gene?
Um zu verstehen, was solche Zahlen besagen, brauchen wir ein wenig einfache Arithmetik. Die Basensequenzen in der DNA (...GCTTACTC...) stellen Gene dar, die in den Proteinen ganz bestimmte Aminosäuresequenzen (AS1-AS2-AS3...) festlegen. Jede Aminosäure wird von drei Basen in der DNA (einem Codon) bestimmt. Es gibt sehr unterschiedlich große Proteine, im "typischen" Fall bestehen sie aber aus 300 oder mehr Aminosäuren. Nehmen wir aus Gründen der Einfachheit einmal an, es seien 333 Aminosäuren. Dann brauchen wir in der DNA 3 x 333 = 1000 Basen, um ein einziges Protein zu codieren. Jedesmal wenn wir 1000 Basen (oder Basenpaare in doppelsträngiger DNA) sehen, können wir daraus in erster Näherung auf ein Protein schließen.

Jedes Protein verleiht der Zelle eine ganz bestimmte Fähigkeit. So handelt es sich bei der großen Mehrzahl der Proteine um Enzyme, spezifische molekulare Katalysatoren; Permeasen sind Proteine, die von der Zelle benötigte Moleküle durch die Zellmembran transportieren. Die Gesamtheit aller Proteine bestimmt darüber, was eine Zelle kann und was nicht.

Betrachten wir nun noch einmal die Größe dieser Genome, und teilen wir sie durch 1000. Demnach könnte H. influenzae unter der Annahme, dass seine gesamte DNA eine Codierungsfunktion erfüllt, 1900 typische Proteine codieren. M. genitalium müsste danach mit nur 580 typischen Proteinen zurechtkommen. Es ist schon erstaunlich, wie wenige Elemente zur Schaffung von Leben ausreichen: Eine Zelle braucht nicht Tausende oder Millionen verschiedene Proteine, sondern nur 580. (Andere Moleküle in den Zellen, so beispielsweise Fette, Zucker und RNA, lassen wir hier außer Acht; sie sind ebenfalls notwendig, aber für ihren Aufbau sind Proteine verantwortlich.) Wenn wir in Erfahrung bringen können, um was für Proteine es sich bei diesem Minimum von 580 Molekülen handelt, erscheint das Geheimnis des Lebens schon viel weniger rätselhaft.




Was besagen Genomsequenzen?
Mit der Sequenzierung von Bakterien-DNA eröffneten sich ganz neue Möglichkeiten. Wir brauchen jetzt nicht mehr von "ungefähr 580 typischen Proteinen" zu sprechen, sondern wir können sie einzeln abzählen. Wir können nachsehen, wie groß jedes einzelne Gen ist, und wo es sich in Relation zu den anderen Genen befindet (das heißt, wo es auf der Genkarte liegt). Die Proteine vieler Gene können wir anhand ihrer Ähnlichkeit mit anderen, bereits bekannten Proteinen identifizieren und nach ihrer Funktion einteilen.

Im Januar 1998 befand sich die Sequenzierung von über hundert verschiedenen Arten von Lebewesen (darunter auch der Mensch) in verschiedenen Stadien der Sequenzierung, und über ein Dutzend Organismen ist wie das Genom von Mycoplasma und Haemophilus vollständig sequenziert. Wenn Sie einen Internetanschluß haben, sollten Sie einmal die Mikroorganismen-Datenbank des TIGR besuchen und sich ansehen, welche Genome mittlerweile ganz oder teilweise sequenziert sind. Diese Datenfülle lässt ganz neue Forschungsgebiete entstehen, so beispielsweise die vergleichende Genomforschung, in der sich Biologie und Informatik verbinden.

Wenn man im einzelnen verstehen will, wie diese Proteine funktionieren, muss man in Chemie und Biochemie ausgebildet sein. Aber auch als interessierter Neuling kann man aus den veröffentlichten Informationen eine Menge lernen, insbesondere wenn man dabei ein wenig Anleitung hat. In den Aktivitäten dieser Einheiten werden Sie an den Bakteriengenomen eine ganze Reihe von Untersuchungen vornehmen. Für jede Aktivität gibt es eine eigene kleine Belohnung; zusammen genommen öffnen sie die Tür zur vorderster Front der biologischen Forschung, und alles ist im Internet ohne weiteres zugänglich.

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Internetverzeichnis
Lerneinheit 1: Kartierung eines Genoms

Lerneinheit 2: Abgrenzung von Genkategorien Lerneinheit 3: Umsetzung von Genen in Proteinsequenzen Lerneinheit 4: Vergleich der Genome zweier biologischer Arten.


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